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Gesundheitsreform: Kunde statt Patient!

6. Juli 2010 by

Posted in: Allgemeines, Uncategorized

Die schwarz-gelbe Koalition hat eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge beschlossen – auf 15,5%. Das ist weder “Mehr Netto vom Brutto”, noch “Einfach, niedrig und gerecht” und auch der Satz “Leistung muss sich wieder lohnen!” ist auf dem Gesundheitssektor schon lange ausgehebelt – und er wird es bleiben. 
Es gibt viele grundsätzliche Probleme in unserem Gesundheitsystem, dessen positivster Aspekt, der mir gerade einfällt, lediglich seine Existenz ist.
Ein Problem, was ich hier ansprechen möchte, muss und will, ist nicht nur eine Definitionsfrage, sondern eine Einstellungsfrage. Wenn ich in ein Autohaus meiner Wahl gehe, bin ich Kunde. Wenn ich zum Weinhändler meines Vertrauens gehe, bin ich Kunde. Wenn ich zum Abgeordneten meines Wahlkreises gehe, bin ich (so hoffe ich doch) Bürger. Wenn ich zum Arzt gehe, bin ich Patient.
Patient, das bedeutet “der Aushaltende”, “der Leidende”. Zumindest im Lateinischen. Im Deutschen bedeutet Patient wahlweise “Objekt”, “Geldsack” oder “unmündiger Mensch mit Krankheit”. Hier beginnt der Systemfehler. Wer krank ist – und wenn er nur eine Erklältung hat -, der scheint dumm zu sein. So wird man von vielen Ärzten behandelt.
Der Arzt als Gott in Weiß und der Patient als nervender Patient mit Brieftasche. Könnte ich zeichnen, würde  ich so eine Karikatur anfertigen. Oder so eine: Der Patient, leidend auf der Liege des Arztes. Und der Halbgott hält statt des Stetoskopes den Rechenschieber in der Hand.
“Wer mehr leistet, soll auch mehr bekommen”, so lautet das Mantra der FDP, die zur Zeit den Bundesgesundheitsminister stellt. Es ist dringend an der Zeit, dass die Leistung mal transparent gemacht wird, dass sie überprüft wird. Wenn ich zahle, will ich wissen wofür, und ob ich zurecht zahle. Jeder Privatpatient erhält eine Rechnung und weiß dann ganz genau, was der Arzt abgerechent hat. 25 € für ein Kühlpack zum Beispiel. Nein, richtig muss es heißen: 25 € für die Bereitstellung eines Kühlpacks. 13 € für Material. 20 € für “Beratung, auch telefonisch” (d.h. der Patient hat einen Termin bei der Arzthelferin gemacht). Ich weiß als Kassenpatient gar nicht, wie teuer diese Beratung ist. Wie soll ich dann wissen, ob die “Leistung” einen angemessenen “Wert” hat?
“Ärztemühle” nannte Stefan Gemba Ende Mai die Prozedur, die er durchleiden musste, bis er die richtige Diagnose bekam. Wer überprüft eigentlich, was die Ärzte leisten? Und wie sie es leisten? Machen Sie ihre Arbeit gut? Und wie kann der Patient erfahren, ob ein Arzt gut ist? Gibt es eine Art Stiftung Artzttest? Nein. 
Woher weiß ich eigentlich, ob mein Zahnarzt gute Arbeit leistet? Ich muss mich wohlfühlen, dass ist klar. Aber daran kann ich nicht erkennen, ob er qualitativ gute Arbeit leistet. Ob er mir die beste Versorgung gibt, die möglich ist. In Hamburg startet die AOK jetzt ein Bewertungsportal. In NRW muss man sich auf sein Gefühl und auf’s Hörensagen verlassen.
Wenn es dann Jahre später heißt: “Tut mir Leid, da hätten sie vieeel früher kommen müssen, jetzt ist da nichts mehr zu machen, die Zähne müssen raus”, erst dann weiß man, dass der vorherige Arzt keine gute Arbeit geleistet hat. Erst wenn der Chirurg die falschen Lymphknoten entfernt hat, weil er rechts und links verwechselt hat, dann weiß man, dass der Vertrauensvorschuss umsonst war. Erst, wenn der Operateur sagt: “Wie konnte man diesen großen Tumor übersehen”, weiß man, warum ein Kranker ein “Leidender” ist. Doch das Ärzte “Patienten” schaffen, ist so nicht gemeint.
In Wuppertal gibt es zwei gastroenterologische Praxen, eine in Elberfeld und eine in Barmen. Sind beide gut? Ist bei einer ein Scharlatan am Werk? Sind es zuviel? Sind es zuwenig? Ist es in Ordnung, dass man drei Monate auf eine Darmspiegelung warten muss? Sollte es nicht schneller gehen? Fragen, die ein Patient nicht beantworten kann. Es gibt einfach keinen guten Kundenservice. Ein Kunde ist König. Und der Patient?
Wird überwiesen. Aufgerufen. Behandelt. Verwaltet.

Vielleicht sollten wir die dringend nötige Gesundheitsreform damit anfangen, dass wir Transparenz herstellen. Dass wir Ärzte nach dem Studium nicht einfach entlassen, sondern alle fünf Jahre einem Leistungscheck unterziehen. Dass wir schauen, dass sie sich fortbilden. Wir sollten den Kunden die Möglichkeit geben, sich vor der Entscheidung für einen Arzt eine Meinung über die Qualität zu bilden. Wir sollten kontrollieren lassen, was der Arzt bei der Kasse abrechnet.

Jemand, der krank ist, leidet schon genug. Er sollte Kunde sein und nicht Patient.

P.S.: Es gibt bewundernswerte Ärzte und Ärztinnen in diesem Land, die sich für ihre Kunden einsetzen, ihnen zuhören und ihnen wirklich eine wahre Stütze sind. Es gibt heldenhafte Ärzte, die in den Krankenhäusern Bereitschaften durchstehen und im größten Stress die richtigen Entscheidungen treffen. Mein Respekt gilt allen Notfallärzten, die sich mit Blaulicht und im Hubschrauber den Weg zu Notfällen bahnen und Leben retten. Diesen Ärzten bin ich dankbar. Andere sollten den Beruf wechseln.

Tagged: Ärzte, Gesundheit

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